Molekularbiologin Kerstin Göpfrich erhält den mit 1 Mio. € dotierten Alfried Krupp-Förderpreis 2024
Die Molekularbiologin und Biophysikerin Prof. Dr. Kerstin Göpfrich wird Trägerin des Alfried Krupp-Förderpreises 2024 – eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Deutschland. Die 34-Jährige ist seit 2022 Professorin am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg. Dem Auswahlgremium der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hatten insgesamt 39 Kandidatenvorschläge aus ganz Deutschland vorgelegen. Der Alfried Krupp-Förderpreis ist mit 1 Mio. € dotiert. Bei der Verausgabung dieser Mittel für ihre Forschung in den kommenden fünf Jahren genießt die Preisträgerin größtmögliche Freiheit.
„Der diesjährige Alfried Krupp-Förderpreis zeichnet Kerstin Göpfrich und ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der synthetischen Biologie aus“, so Prof. Ursula Gather, die Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. „Nicht nur eröffnet ihre Forschung neue Perspektiven für Wissenschaft und Industrie, sie kann auch unser Verständnis von Leben revolutionieren. Die Krupp-Stiftung freut sich sehr, Kerstin Göpfrich auf ihrem Weg zu begleiten und sie bei der Entwicklung dieser revolutionären Ansätze zu unterstützen.“
Physikalische Modelle ermöglichen es, Naturgesetze zu verstehen, doch für lebendige Systeme fehlen solche Modelle bislang. Göpfrich setzt genau hier an: Sie möchte mit ihrer Forschung eine künstliche Modellzelle erschaffen, die neue Wege zur Beschreibung und Nutzbarmachung von Lebensprozessen eröffnet. Konkret arbeitet Göpfrich im Forschungsfeld der sogenannten „Bottom-up“ synthetischen Biologie, die sich damit befasst, lebende Zellen unter Laborbedingungen künstlich herzustellen. Hier wird versucht, in vitro funktionsfähige Bauteile zu generieren, die Lebensprozesse ermöglichen. Für diesen Vorgang müssen andernorts produzierte Proteine in künstliche Zellhüllen eingeschleust werden. Göpfrich hat dabei einen neuen Weg eingeschlagen: Anstatt fertige Proteine einzusetzen, entwirft sie ihren eigenen Bausatz ganz neu aus molekularer Hardware. Dabei wählt sie DNA und RNA zur Konstruktion. Durch einen Kunstgriff wird die kettenförmige DNA nach einem Designprozess am Computer zu zwei und dreidimensionalen Strukturen umgeformt, die dann auch funktionale Eigenschaften ausüben können. DNA-Origami nennt sich diese Faltkunst im Nanometer-Maßstab. Auf diese Art gelang Göpfrich der Nachbau funktionsfähiger DNA-basierter Zellskelette, die Stoffe innerhalb der künstlichen Zellen transportieren können. Auch die Bildung von Tochterzellen gelingt bereits. Im nächsten Schritt sollen nun die künstlichen Zellen ihre molekulare Hardware selbst produzieren, was bislang nicht möglich war. Diese Weiterentwicklung könnte nicht nur helfen, die Entstehung früher Lebensformen besser zu verstehen, sondern auch in der Medizin Anwendung finden. So könnten zukünftig Materialien entstehen, die sich selbst regenerieren, an veränderte Bedingungen anpassen und eigenständig weiterentwickeln können.
Göpfrichs innovative Herangehensweise hat bereits mehrfach zu patentierten Anwendungen geführt, darunter eine bildbasierte Methode zur Zellsortierung. Mit ihrer Vision, eine künstliche Modellzelle zu erschaffen, vereint sie Neugier getriebene, bahnbrechende Wissenschaft mit der Entwicklung anwendbarer Innovationen.
Fachkolleg*innen beschreiben Kerstin Göpfrich als außergewöhnlich talentierte und kommunikationsstarke Wissenschaftlerin mit klarer Vision. Neben ihren wissenschaftlichen Leistungen und der Publikationstätigkeit ist sie in akademischen Gremien aktiv, betreut Studierende sowie Promovierende und engagiert sich in der Wissenschaftskommunikation mit dem Ziel, junge Menschen für die Forschung zu begeistern.