Jahresprogramm 2024
Aktuelles Vor 150 Jahren geboren – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach
Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, 1906 | © Ernst Kessler

Vor 150 Jahren geboren – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach

von Ralf Stremmel

Zum Unternehmer wurde er nur zufällig, der Diplomat und promovierte Jurist Gustav von Bohlen und Halbach. 1906 heiratete er Bertha Krupp, die Erbin des größten deutschen Unternehmens, und das führte ihn an die Spitze des Aufsichtsrates der Fried. Krupp AG, wo er mehr als dreißig Jahre blieb. Durch königlich-preußischen Erlass erhielt er sogar das Recht, seinem Familiennamen den Namen Krupp voranzustellen.

Zur Welt gekommen war er am 7. August 1870 in Den Haag, die Mutter Amerikanerin, der Vater hoher Beamter des Großherzogtums Baden. Diszipliniert und korrekt, ein Mann der Pflicht und Ordnung – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach verstand sich stets als Treuhänder des Krupp’schen Erbes, nicht als Neuerer, schon gar nicht als Revolutionär. Akzente außerhalb der Firma setzte er über Jahrzehnte als Vizepräsident in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, der Vorläuferin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft.

Zeit als Unternehmer: Wandel, Umbrüche, Inhaftierung

Gustav Krupp kam während einer Zeit wirtschaftlicher Blüte und Stabilität ins Unternehmen. 1912 konnte dessen hundertjähriges Bestehen mit Kaiser Wilhelm II. glanzvoll gefeiert werden. Mit dem Ersten Weltkrieg begann jedoch eine Ära der Umbrüche. 1919 verlangte der Versailler Vertrag den fast vollständigen Verzicht auf Rüstungsproduktion, bis dahin eines der lukrativsten Standbeine der Firma. Krupp stellte auf Lastkraftwagen, Lokomotiven, Landmaschinen und anderes um.

Im Zuge der Ruhrbesetzung inhaftierte die französische Besatzungsmacht Gustav Krupp 1923 für sieben Monate, was reichsweit Aufmerksamkeit fand. Aus dem Gefängnis entlassen, musste er einschneidende Rationalisierungsmaßnahmen einleiten, die allerdings die chronische Existenzkrise des Unternehmens kaum entschärften. Dennoch entschieden sich Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach dafür, die Firma als selbstständiges Familienunternehmen weiterzuführen – auch gegen den Rat der Manager.

Politische Haltung: Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg

In der großen Depression ab 1929 sank die Beschäftigtenzahl auf die Hälfte, das heißt auf rund 46.000 Menschen. Als Vorsitzender des Reichsverbandes der Deutschen Industrie meldete sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach in diesen Jahren wiederholt zu Wort, hielt sich jedoch aus der Parteipolitik heraus und nahm in aller Regel eine moderierende Position ein. Er dachte konservativ und national, blieb der Monarchie im Innersten verhaftet, stellte sich der Weimarer Republik aber durchaus für herausgehobene Ämter zur Verfügung.

Die Kanzlerschaft Hitlers sah Gustav Krupp zunächst mit Skepsis. Die NSDAP hatte er zuvor nicht unterstützt, weder finanziell noch ideell. Aber der wirtschaftliche Aufschwung, von dem auch die Firma Krupp profitierte, und die scheinbare politische Stabilisierung veranlassten ihn, sich zunehmend mit dem NS-Regime zu arrangieren und dessen Verbrechen zu verdrängen. Gustav Krupp verhielt sich staatstreu, spendete der Partei Geld und ließ sich öffentlichkeitswirksam von Hitler ehren. So verriet er letztlich die Werte von Gerechtigkeit und Ausgleich, für die er immer eingetreten war. An „Arisierungen“ beteiligte er sich zwar ausdrücklich nicht und gelegentlich zeigte er Widerständigkeit, trieb aber die Rüstungsproduktion für das Regime voran – im Zweiten Weltkrieg auch unter Einsatz zehntausender Zwangsarbeiter.

Rückzug aus dem Unternehmen

Gesundheitlich bereits angeschlagen, zog sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach 1943 von der Unternehmensleitung zurück. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er, durch Schlaganfälle und Demenz zum Pflegefall geworden, auf seinem Schloss Blühnbach im Salzburger Land, wo er am 16. Januar 1950 mit 79 Jahren starb. Die Spanne seines Lebens reichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, und seine Biographie lädt bis heute ein, über Glanz und Elend der deutschen Großindustriellen nachzudenken.