Jahresprogramm 2024

Die brasilianische National-
mannschaft 1974 zu Gast bei Krupp

Warum eine digitale Ausstellung?

Die digitale Ausstellung „Die brasilianische Nationalmannschaft 1974 zu Gast bei Krupp“ hat das Ziel, zwei Objekte aus dem umfangreichen Schatz des Historischen Archivs Krupp zugänglich zu machen und eine unerwartete Geschichte zu erzählen.

Rund zehn Regalkilometer Akten, Geschäftsbücher, Postkarten, Fotografien, museale Objekte und vieles mehr umfasst der Bestand des Archivs – ein Teil ist im Rahmen einer Dauerausstellung im Kleinen Haus der Villa Hügel zu sehen. Diese Historische Ausstellung Krupp gibt auf rund 650 Quadratmetern einen Überblick in die Geschichte der Firma und Familie Krupp. Doch nur ein Bruchteil der Archivalien kann dort von Besucher*innen betrachtet werden, der Rest wird fachgerecht in Depots aufbewahrt.

Nun ermöglicht die erste digitale Ausstellung einen Einblick in ein besonderes sporthistorisches Thema: Den Aufenthalt der brasilianischen Nationalmannschaft im Ruhrgebiet, die an der Fußballweltmeisterschaft 1974 teilgenommen hat. Der Besuch hat Spuren hinterlassen: Ein Fotoalbum und ein signierter Fußball befinden sich seit kurzem im Historischen Archiv Krupp. Diese beiden Objekte zu entdecken ebenso wie zu erfahren, wie sie ins Archiv gelangten, das können Besucher*innen orts- und zeitunabhängig hier tun.

Signierter Fußball der brasilianischen Fußballnationalmannschaft

Kürzlich brachten Mitarbeiter des Essener Polizeipräsidiums einen Unterschriftenfußball der brasilianischen Nationalmannschaft der Weltmeisterschaft 1974 ins Historische Archiv Krupp.

Was hat der Fußball mit Krupp zu tun? Sehr viel, hat doch der damals amtierende Weltmeister 1974 zwei Spiele im Ruhrgebiet gespielt. So traf die Mannschaft am 22. Juni in Gelsenkirchen auf Zaire (3:0) und am 3. Juli in Dortmund auf die Niederlande (0:2). Als Quartier wurde das Touring-Hotel in Essen Bredeney auserkoren, wo sich die Spieler, abgeschirmt von der Öffentlichkeit und ihren Fans, vom Training erholen und auf ihre Spiele vorbereiten konnten.

An dieser Stelle kommt Marianne Kirschfink ins Spiel: Bereits vor zwei Jahren wandte sich die ehemalige Managerin des Touring-Hotels an das Historische Archiv Krupp: Sie überließ dem Archiv ein Fotoalbum, in dem sie ihre persönlichen Erinnerungen an „die Fußballweltmeisterschaft mit den Brasilianern im Touring-Hotel“ festgehalten hat – ein einzigartiges Zeitdokument, das die damalige Geschichte eingefangen hat.

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Doch wie kam der Fußball ins Essener Polizeipräsidium? Fest steht, dass die Essener Polizei 1974 zum Schutz der Spieler eingesetzt war und für deren Sicherheit und das Abschirmen gegen allzu neugierige Fans zuständig war. Wie der Fußball mit den Unterschriften der Spieler in das Polizeipräsidium gelangt ist, lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Zu vermuten ist aber, dass der Fußball signiert als Dank an einen der im Hotel stationierten Polizisten abgegeben wurde.

Fast 50 Jahre lang schlummerte der Ball unbemerkt im Keller der Polizeiwache Rellinghausen, bis ein Polizeihauptkommissar ihn entdeckte. Was zunächst nach einem gewöhnlichen Lederball aussah, weckte die Neugierde des Finders, der ihn vorsichtig abstaubte. Zum Vorschein kam ein schwarz-weiß-roter Lederfußball, auf dem zahlreiche Unterschriften weltbekannter Spieler wie Zagallo oder Pelé prangten. Um der Herkunft des Balles auf die Spur zu kommen, wurde das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund um eine Expertise gebeten. Dort konnten die Fachleute rekonstruieren, dass es sich um einen Fußball handelt, auf dem sich anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland die Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft verewigt hatten.

Über eine Online-Recherche kam dann die Essener Polizei dem Fotoalbum auf die Spur, das auf der Website der Krupp-Stiftung, der Eigentümerin des Historischen Archivs Krupp, veröffentlicht war. So kam es dann zum Zusammentreffen von Polizei und Archiv, bei dem schnell klar war, dass der Fußball das Fotoalbum sehr gut ergänzt und seinen Platz im Archiv finden sollte. Durch diese zwei glücklichen Zufälle sind nun zwei Zeitzeugen der Essener und internationalen Sportgeschichte ins Archiv gelangt.

Übergabe des Fußballs an das Historische Archiv Krupp

Am 1. April 2022 wurde der Fußball von Polizeipräsident Frank Richter an Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, überreicht. So wird neben dem Fotoalbum nun auch der in der Polizeiwache wiederentdeckte Fußball im Krupp-Archiv dauerhaft bewahrt und gleichzeitig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er findet zunächst Platz in einer der Vitrinen der Historischen Ausstellung Krupp im Kleinen Haus und kann dort bestaunt werden, bis das lichtempfindliche Stück wieder ins Magazin muss. Interessierte, die es nicht in die Ausstellung schaffen, können den Fußball aber immer im Rahmen dieser digitalen Ausstellung entdecken.

Fotoalbum: Erinnerungen an den Besuch der brasilianischen Nationalmannschaft 1974

Vor zwei Jahren kam die Essenerin Marianne Kirschfink auf das Historische Archiv Krupp zu und übergab ein Fotoalbum, das den Besuch der brasilianischen Fußballnationalmannschaft 1974 dokumentiert. Das signierte Album wurde jahrzehntelang sorgsam von Frau Kirschfink bewahrt, die seinerzeit Hotelmanagerin der Teamunterkunft, des Touring-Hotels, war und damit sehr nah an den brasilianischen Fußballern war. Jetzt wird das Album im Depot des Historischen Archivs Krupp verwahrt und kann im Rahmen dieser digitalen Ausstellung erkundet werden.

Interview mit Marianne Kirschfink

Am 12.2.2020 sprach Manuela Fellner-Feldhaus vom Historischen Archiv Krupp mit Marianne Kirschfink über ihre Erinnerungen an den Besuch der brasilianischen Fußballnationalmannschaft im Revier, die sie in dem Fotoalbum festgehalten hat. Marianne Kirschfink war Managerin des Touring-Hotels, das Krupp gehörte und von Imhoff gepachtet war. Einen Auszug aus dem Gespräch lesen Sie hier:

Fellner-Feldhaus: Erzählen Sie uns kurz die Geschichte zu dem Fotoalbum.

Kirschfink: Die brasilianischen Spieler waren die amtierenden Weltmeister. Und so sind sie hier in Essen entsprechend empfangen worden, als wenn der Kaiser von China käme. Das war Wahnsinn. Um das ganze Touring-Hotel wurde ein großer Zaun gebaut. Die Essener Polizei war besonders vorsichtig, hat sogar unsere Telefonzentrale übernommen. Denn das Attentat bei den Olympischen Spielen im Jahr 1972 hat alle vorsichtig werden lassen.

Fellner-Feldhaus: Warum waren die Fußballer überhaupt in Essen und warum haben sie im Touring-Hotel gewohnt?

Kirschfink: Die Mannschaft hat unter anderem in Gelsenkirchen gespielt und wollte ein Hotel, in dem sie für sich allein und abgeschirmt war.

Fellner-Feldhaus: Was kommt Ihnen spontan in den Sinn, wenn Sie an den Besuch denken?

Kirschfink: Zum einen die Essensgewohnheiten: Gegessen haben die Fußballer nur Steaks, Obst und Gemüse. Ich bin jeden Morgen mit dem Küchenchef in den Supermarkt gefahren, um Obst und Gemüse zu kaufen. Zum anderen der große Aufruhr, der hier vor Ort herrschte: So viele Menschen standen vor dem Zaun und wollten Autogramme haben. Ja, das war schon etwas Besonderes für Essen: die amtierenden Weltmeister so hautnah zu erleben. Die Spieler waren sehr nahbar und haben alle am Zaun gestanden und den Leuten die Hände geschüttelt.

Fellner-Feldhaus: Wie haben Sie die Spieler erlebt?

Kirschfink: Die Spieler mussten jeden Tag trainieren. Wenn sie einen spielfreien Tag hatten, haben wir alle zusammen im Fernsehzimmer gesessen und Mainzelmännchen geguckt. Eines Abends kamen sogar Pelé und Herr Havelange, der damals Präsident des Weltfußballverbandes war. Die beiden haben sich zu uns gesetzt und wir hatten alle unseren Spaß! Dann war die Mannschaft auch einmal drei Tage in Hannover, wo sie gespielt hat. Trotzdem sind sie bei uns im Hotel geblieben. Jeder hatte für mich ein Geschenk aus Hannover mitgebracht: Bücher und Schallplatten. „Marianna, wir haben dir was mitgebracht“, sagten sie.

Fellner-Feldhaus: Vielen Dank für das Gespräch.